Ein zweites Leben? Gedanken zur Idee von kontinuierlichem Wandel

Ein zweites Leben? Gedanken zur Idee von kontinuierlichem Wandel

Wie sieht ein Leben aus? Welche Phasen durchläuft man? Was macht einen Menschen in einem bestimmten Alter aus?

Ich möchte dir hier die Geschichte eines Menschen erzählen …

… sie beginnt mit einer Kindheit, welche sehr positiv in Erinnerung geblieben ist. Ein Leben am Stadtrand, viel Zeit im Garten und an der frischen Luft, einige Reisen an unbekannte Orte und irgendwann auch ans Meer. Trotz einiger schwerer Zeiten wurde das Leben stets ein bisschen angenehmer, ein wenig luxuriöser. Mit einem neuen Lebenspartner kamen einige familiäre Zerwürfnisse und Differenzen ans Licht. Doch es ebnete sich auch der Weg für ein ganz eigenes Leben, ein Studium, neue Herausforderungen. Schließlich kam die Zeit der Selbstverwirklichungen durch das selbstständige Erarbeiten und Aufbauen eigener Träume und Ideen. Bald wurde es in den eigenen vier Wänden zu eng und beide Partner verwirklichten sich in einer größeren Wohnung. Der Wunsch nach etwas eigenem führte schließlich zu einem eigenen Haus mit kleinem Garten. Viele Projekte wurden gestartet, realisiert; andere blieben auf der Strecke. Irgendwann war der Zenit des Möglichen überschritten und es entstand der Wunsch nach mehr Einfachheit, einem überschaubaren Leben, mehr Reisen, mehr Zeit für schöne Dinge. Letztlich fanden sich alle in einem kleinen zu Hause außerhalb des Trubels der Stadt wieder …

So oder so ähnlich könnte eine gesamte Lebensgeschichte aussehen. So oder so ähnlich könnte ich vielleicht auch meine Geschichte erzählen. Doch ich bin keineswegs alt.

Das Bestattungs-Business

In meiner relativ kurzen Zeit als Musiker auf Trauerfeiern konnte ich viele solche Geschichten hören. Vielleicht gab es noch das ein oder andere Detail, bestimmte Vorlieben und bestimmte Namen enger Verwandter. Doch viel mehr wurde zu einem gesamten Leben eines Menschen oft nicht gesagt. Wenngleich eine Trauerfeier nicht unbedingt jedes Detail eines langen Lebens rekapitulieren kann, so wirkte die kurz zusammengefasste Version auf mich meist sehr traurig.

War das wirklich alles, was diesen Menschen ausgemacht hat? War dieses Leben wirklich so unbedeutend, so unspektakulär? Sollte nicht selbst in den einfachsten Dingen des Lebens mehr Tiefe, mehr Bedeutung und mehr Erwähnenswertes zu finden sein?

Innerhalb von nicht mehr als einer halben Stunde wurde dort eine Zeitspanne von meist 60 bis 80 Jahren zusammengerafft und verschwindet dann in Form eines kleinen Behältnisses im Boden.

Vielleicht spielt aber dieser letzte Abschied auch gar keine so große Rolle, sondern eher die vielen kleinen und großen Begegnungen und Ereignisse davor. Vielleicht braucht es aber einfach nur einen geeigneteren Platz in unserer Mitte, mitten im Leben, um uns von einem geschätzten und geliebten Menschen zu verabschieden …

Tägliche Wiedergeburt

Vielleicht ist es aber nur wichtig, möglichst viel aus einem Leben mitzunehmen. Dafür ist es wichtig, innerlich über die vielen kleinen und großen Fehler, die Missverständnisse, die Unterschiede und Zerwürfnisse hinwegzusehen und diese lieber dort einzuordnen, wo sie hingehören. Das eröffnet den Blick auf all' die Dinge, die einen Menschen wirklich ausmachen. Ich denke, dass man dieses Konzept sowohl auf andere Menschen als auch auf sich selbst übertragen kann. Jeden Tag haben wir auf's neue die Möglichkeit zu entscheiden, wie wir mit dem Menschen, welcher wir gestern waren, umgehen. Was nehmen wir mit? Was lassen wir gehen? Was hilft uns im Leben voran zu kommen?

Meine Perspektive auf mein Leben vom Anfang dieses Textes mag etwas merkwürdig klingen. Doch es eröffnet die Idee eines neuen Anfangs, eines Übergangs in ein neues, ein zweites Leben. Diese Sicht steht über den Limitierungen, welche uns eine herkömmliche Betrachtungsweise nahelegt. Wie oft haben wir Dingen gehört wie: „In dem Alter kann ich das nicht mehr tun“, oder „Früher habe ich mal … aber heute …“.

Zeit ist eine spannende Sache, sollte aber meiner Meinung nach nicht als für uns rein passiver Fluss betrachtet werden, sondern eher als eine Bibliothek voller interessanter Bücher, aus denen man lernen kann, welche einen in Erstaunen versetzen und ganz neue Impulse setzen können.

Rahmen und Perspektiven

Letztlich sind diese Rahmen, welche wir um beliebige Zeitfenster spannen, oft nur Bilder nach Maßgaben Anderer – vorkonfektionierte Einheitsgrößen für Jedermann. Und das erste was man tun kann, um nicht mehr Jedermann zu sein, ist die Auflösung dieser Rahmen. Baue dir deine eigenen Rahmen, nehme sie wieder ab und setze sie stets neu zusammen. So wie ich am Anfang dieses Beitrages. Doch es muss nicht immer ein so großer Rahmen sein. Es reicht für den Anfang, sich einfach nur auf einen Stuhl zu stellen oder sich auf den Boden zu legen. Als nächstes kann man sich versuchen vorzustellen, ein kleiner Raum sei ein riesiger Saal oder umgekehrt.

Dazu gehört kein Genie und kein Talent – es ist wie Jonglieren lernen (oder ein Instrument), der Erfolg hängt alleinig an dem Aufwand, welchen man investiert.

Entdecke deine eigene Schatztruhe voller Möglichkeiten

Stell' dir also vor, du könntest heute ein neues Leben anfangen. Dein bisheriges Leben wäre kein Klotz an deinem Bein, sondern eine Schatzkiste an Fähigkeiten, Möglichkeiten, Wissen und Erfahrungen, welche du nutzen kannst.

Der Wunsch neu anzufangen ist ein sehr alter und findet sich in vielen übernatürlichen Vorstellungen wie z.B. Wiedergeburten wieder. Doch oft sind diese Konzepte mit Hindernissen wie einer neuen Form (Wiedergeburt als Tier) oder fehlendem Wissen über die Vergangenheit verbunden. Die Möglichkeiten hingegen, die dir das Leben jeden Tag bietet, mögen auf den ersten Blick vielleicht winzig wirken, sind in ihrer Kontinuität jedoch mit jedem Tag mächtiger.

Betrachtet man schlussendlich die Endlosigkeit/ ewiges Leben einfach nur als das Unwissen über das eigene Ende, so leben wir stets ewig und können aus jedem Moment das Beste herausholen.

Und um das nicht wie eine Art Magie wirken zu lassen, mache ich jetzt gleich einen ersten Schritt und genieße die Aussicht vom Dach meines Wagens …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

1 + 5 =

de_DEDE